Bezahlter Traffic: Die Crackpfeife des digitalen Marketings

Eines der Hauptmerkmale eines Süchtigen ist impulsives Verhalten. So wie ein Drogenabhängiger viel Geld für einen kurzen Moment des Vergnügens bezahlt, nutzen viele Agenturen und Unternehmer den bezahlten Traffic wie eine echte Crackpfeife: Sie investieren hohe Summen, um schnelle Ergebnisse zu erzielen, anstatt die zugrunde liegenden Probleme strukturiert und dauerhaft zu lösen.

Felipe Vasconcelos | Marketingleiter

10/30/20252 min lesen

A close up of a cell phone on a table
A close up of a cell phone on a table

Crack ist eine extrem starke und gefährliche Droge. Obwohl sie für den menschlichen Körper hochgiftig ist, kann sie anfangs scheinbar positive Effekte hervorrufen – etwa ein Gefühl von Energie, gesteigerter Aktivität, Wohlbefinden und erhöhter Aufmerksamkeit. Das erklärt der Psychiater Dartiu Xavier da Silveira, Spezialist an der Bundesuniversität von São Paulo (Unifesp) und Direktor des Programms für Beratung und Betreuung von Abhängigen (Proad), in einem Interview mit der Zeitung O Estado de S. Paulo.

Laut dem Experten treten jedoch auch schwerwiegende Nebenwirkungen auf, wie eine erhöhte Herzfrequenz, Bluthochdruck, Halluzinationen, depressive Episoden, Panikattacken und Paranoia.

Ebenso wie Crack den menschlichen Organismus schädigt, ist der bezahlte Traffic zu einer Art „Sucht“ für Unternehmer und Marketingagenturen geworden. Er erzeugt nicht nur scheinbar positive Effekte – wie einen kurzfristigen Anstieg von Leads, künstliches Wachstum der Nachfrage, das trügerische Gefühl eines gesunden Geschäfts und in manchen Fällen einen Verkaufsschub –, sondern auch unerwünschte Folgen: steigende Kosten, Abhängigkeit von Werbeanzeigen, Verlust der kritischen Analysefähigkeit und Schwächung der organischen Ergebnisse (jene, die ohne Bezahlung erzielt werden).

Dabei ist der bezahlte Traffic an sich nicht der Bösewicht dieser Geschichte. Es handelt sich um ein legitimes Marketinginstrument, das bei richtiger Planung relevante Ergebnisse liefern kann. Doch durch falsche Anwendung ist dieses Instrument für viele Unternehmen und Agenturen zur Crackpfeife geworden. Statt in die Struktur ihrer Website zu investieren, um nachhaltige organische Ergebnisse zu erzielen, wählen viele den vermeintlich schnellen Weg – einen, der zwar Kosten erhöht, aber keine grundlegenden Probleme löst. Das Ergebnis: Unternehmer, die völlig abhängig vom bezahlten Traffic sind – so wie ein Süchtiger von seiner nächsten Dosis.

Um eine Website aufzubauen, die nachhaltige organische Ergebnisse liefert, braucht man nicht nur Geld, sondern auch Zeit und vor allem hochwertige Inhalte. Diese Inhalte ziehen mit der Zeit auf natürliche und strategische Weise Besucher an. Während dieses Prozesses ist gegen bezahlten Traffic nichts einzuwenden – solange er bewusst, geplant und zielgerichtet eingesetzt wird.

Durch den missbräuchlichen Einsatz des Instruments haben sich viele Agenturen in "digitale Dealer“ verwandelt, die dem Unternehmer die „Pfeife“ gegen Bezahlung anbieten – und damit zur Zerstörung seiner Selbstständigkeit und Nachhaltigkeit beitragen, während sie gleichzeitig das Ansehen der gesamten Branche schädigen.

Der richtige Zeitpunkt für den Einsatz von Werbeanzeigen sollte auf bestimmte Situationen beschränkt bleiben: saisonale Phasen eines Unternehmens, Übergangszeiten zwischen Website-Neugestaltung und organischem Wachstum oder in Märkten mit starker Konkurrenz, in denen die meisten Akteure in bezahlte Medien investieren.

Die unkontrollierte Nutzung des Instruments führt zu Abhängigkeit, geringem realem Ertrag und damit zu einer ineffektiven und diskreditierten Arbeit der Agenturen gegenüber ihren Kunden.

Originalversion veröffentlicht am 27.06.2025 im Blog von Vasconcelos Marketing & Kommunikation.